Eines möchte ich von Anfang an sagen: Ich brauche meine Schwächen. Denn meine Schwächen machen mich zu der Person, die ich bin. Die Person, die Gott voller Lieber geschaffen hat.
Ich beobachte es leider immer viel zu häufig bei mir selbst oder auch in Gemeinden. In Gemeinschaften, in denen wir mitarbeiten, Teams leiten oder mit anderen Menschen in Kontakt sind, wird der eigentlich größte Segen häufig außen vor gelassen: Die eigenen Niederlagen mit anderen zu teilen. Ich habe beinahe das Gefühl, dass meine Außenwirkung, je mehr Verantwortung ich inne habe, desto mehr ein Bild reflektieren muss, welches ich doch niemals sein kann. Eine Person ohne Schwächen, die gefühlt nie gescheitert ist, und wenn, dann waren es Niederlagen, die am Ende mehr als großartig gemeistert wurden. Das traurige Resultat: Meine Kämpfe muss ich mit mir alleine ausmachen und im Verborgenen halten, da ich diesem Bild niemals genügen werde.
Wieso werden solche Verhaltensweisen überhaupt zugelassen? Ist es in erster Linie nicht an uns Leitern oder Mitarbeitern, vorzuleben, dass wir unsere Schwächen brauchen und offenlegen müssen?!
Wieso verstehe ich das Vorbildprinzip so, dass ich alles richtig zu machen hätte und mir dadurch der Mut fehlt, meine Kämpfe und Schwächen preiszugeben? Sollte ich nicht genau DAS als Leiter tun? Denn nur so sehen und lernen andere von mir, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine stehen.
Ich träume von einer Kultur, in der wir anfangen, unsere Schwächen offenzulegen und sie ansatzweise sogar feiern können. Am Ende zeigen mir meine Schwächen doch auf, dass dieses imaginäre Bild unerreichbar ist und ich es auch nicht erreichen muss. Welchen Wert hätte sonst die Gnade, oder wie würde mir bewusst, dass ich Gott in meinem Leben brauche?
Vielleicht denkst du nun: Mona, du hast ja leicht reden, aber meine Schwächen und Probleme sind so schlimm, dass ich diese niemals jemandem erzählen kann. Dann frage ich dich: wenn es nicht mit einem von uns beginnt, diesen Traum von Gemeinschaft zu etablieren, wie soll er dann Realität werden? Als ob ich nicht selbst immer wieder mit denselben Schwächen zu kämpfen hätte.
Ich habe damit begonnen, mir eine kleine Gruppe von vertrauten Menschen zu suchen, denen gegenüber ich wirklich offen sein kann. Es sind Menschen, die mich in den verschiedensten Bereichen meines Lebens begleitet haben und von denen ich anhand all dieser Jahre weiß, dass sie mir in Liebe begegnen, statt mit einer vorwurfsvollen Antwort. Suche dir solche Menschen und lerne, ehrlich zu sein. Ich kann es nur nochmals wiederholen: Ich brauche meine Schwächen, denn meine Schwächen formen mein Gesamtbild.
Durch meine Ehrlichkeit erlebe ich zudem immer wieder, dass meine Schwächen sogar einer anderen Person zum Segen geworden sind, und vor allem auch mir selbst. Entweder, weil wir dieselbe Situation durchmachen mussten, oder aber, weil ich meine Erfahrungen mit dem Anderen teilen konnte, der kurz davorstand, sich auf etwas Ähnliches einzulassen. Durch das Offenlegen verlieren meine Schwächen an Tragweite und meine Dankbarkeit Gott gegenüber wird größer.
In seinem Buch ,,Mitten aus dem Leben“ schreibt Arne Kopfermann:
Wenn Gewohnheit, Scham oder die Furcht vor der Einstellung anderer mich daran hindern, dass ich mit meinen Defiziten, Ungereimtheiten und Abgründen auch nach außen ich selbst sein darf, führt das zwangsläufig in eine ungesunde Isolation.
Isolation hat Gott niemals für dich vorgesehen, sondern Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, in der du deine Schwächen und Kämpfe zeigen darfst, ohne Verurteilung zu erleben. Lass uns hierbei gemeinsam als Vorbild vorangehen.
6 Comments
Wadim
Hallo Mona!
Ganz grandiose und wichtige Botschaft in einer Zeit, in der man zwischen Leistungsdruck, Erwartungen und Überangebot an Wegweisern und Ratgebern leicht die Orientierung verlieren kann.
Ich finde es persönlich sehr herausfordernd, aber extrem notwendig – persönlich wie für die gesamte Gesellschaft. Ich möchte lernen, da als Vorbild voran zu gehen und mehr dazu ermutigen. Hammer!
Mona Kleinfeld
Wadim 🙂 Freue mich echt riesig über deinen Kommentar; sei arg gesegnet auf deinem Weg, und ja, herausfordernd ist es, aber du wirst ebenso auch sehen, wie wir dadurch echt was in Bewegung setzen. Lieben Gruß!
Dominik
Toller Artikel!
Ich stelle auch immer wieder in meiner Gemeinde fest, dass man sich für seine Schwächen schämt und nicht offen sein kann.
Es stimmt, es muss von den Leitern vorgelebt werden, damit es Kreise zieht.
Ich werde in nächster Zeit wieder bewusster darauf achten – vielen Dank!
Mona Kleinfeld
Dominik, das find ich echt stark von dir, und ich finde, wir brauchen exakt mehr so Leute wie dich, die echt alles dransetzen, da was zu bewegen. Genial, von Herzen das Beste dir!
Judith
Du sprichst mir so aus dem Herzen. Lasst uns einander mit unseren Schwächen bereichern! Voll gut. Vielen Dank
Mona Kleinfeld
Hi Judith, danke für deinen Kommentar – damit ermutigst du auch mich voll! Ganz liebe Grüße