Grundsätzlich bin ich ein sehr harmoniebedürftiger Mensch. Streitsituationen stressen mich. Nur leider führt dieses Bemühen um Harmonie nicht immer zum Frieden in Beziehungen.
Vor einigen Jahren hat eine Freundin von mir immer wieder ein paar Witze über mich gebracht. Zuerst war es lustig. Irgendwann steigerte sich das Ganze aber und ihre Sprüche wurden immer respektloser. Über Wochen nahm ich dieses Verhalten kommentarlos hin. Im Innern war ich aber wirklich wütend auf meine Freundin. Da zeigte sich meine Harmoniebedürftigkeit.
Als meine Freundin dann mit einem Spruch über mich zu weit ging und auch noch andere Leute im Raum waren, brach es aus mir heraus. Ich machte ihr vor allen eine ordentliche Ansage. Es wurde sehr emotional, sie bat mich, zu gehen, und wir sprachen zwei Wochen nicht mehr miteinander.
Dann endlich hatten wir beide uns beruhigt und konnten miteinander sprechen. Sie entschuldigte sich ausdrücklich und ich konnte ihr vergeben. Seitdem hat sich ihr Verhalten mir gegenüber um 180 Grad gedreht und wir sind nach wie vor gut miteinander befreundet. Diese Erfahrung hat unsere Freundschaft nicht zerstört, sondern auf ein neues Fundament gestellt.
Trotzdem: Solch einen Wutausbruch möchte ich nie wieder erleben. Für mich ist klar: so weit soll es nie wieder kommen! Und zwar in keiner meiner Freundschaften oder Beziehungen. Ich sollte lieber früh genug etwas ansprechen, als es so lange brodeln zu lassen, bis es überkocht. Dieses klärende Gespräch hätten sie und ich deutlich früher führen können.
Wie sieht es bei dir aus? Nimmst du Worte oder Taten in einer Freundschaft einfach hin, seien sie auch noch so verletzend? Schweigst du darüber hinweg?
Manchmal treffen Worte und Taten vollkommen unbeabsichtigt. Und manchmal steckt vielleicht wirklich eine nicht geahnte Konfliktsituation hinter dem verletzenden Verhalten deiner Freundin oder deines Freundes.
Egal, mit welcher Intention Verletzungen erzeugt werden – ich bin davon überzeugt, dass wir für gesunde Freundschaften lernen müssen, unsere Verletzungen rechtzeitig anzusprechen und uns nicht hinter unserem Bedürfnis nach Harmonie zu verstecken.
Oft habe ich gedacht: „Als Christ muss man eben manches hinnehmen, Dinge in sich hineinfressen und darüber schweigen. Gott klärt das schon. Ich möchte auch noch die andere Wange hinhalten. Living the Jesus way.“
Ja, in der Bibel sagt Gott klar: Weil jemand dich beleidigt, sollst du ihn nicht ebenfalls beleidigen. Weil jemand dich verletzt, sollst du ihn nicht auch verletzen. (vgl. Matthäus 5:38 ff.)
Doch in diesem Blogbeitrag geht es nicht darum, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Ein klärendes Gespräch dient nicht dazu, deine Freundin oder deinen Freund auch zu verletzen oder sich zu rächen, indem man ihr/ihm mal ordentlich die Meinung geigt. Ganz im Gegenteil: Du wurdest schlecht behandelt und antwortest mit etwas Gutem! Wenn wir gesunde und tragfähige Freundschaften bauen wollen, müssen wir uns trauen, solche Gespräche zu führen. Schon im Alten Testament lesen wir folgende Weisheit:
„Wer Verfehlung zudeckt, stiftet Freundschaft; wer aber eine Sache aufrührt, der macht Freunde uneins.“ (Sprüche 17:9)
Schaut man sich das hebräische Wort aus dem Urtext für dieses „Zudecken“ von Verfehlungen an, ist in ihm auch die Bedeutung „vergeben“ zu finden. Mit diesem „Zudecken“ ist also keinesfalls gemeint, dass man Dinge einfach totschweigt, weil man Konfrontation umgehen möchte. Vielmehr geht es darum, falschen Umgang offen anzusprechen und damit aus dem Weg zu räumen.
Dieses Gespräch sollte bereits mit der Intention der Vergebung gestartet werden. Solch eine Aussprache führt dazu, dass liebevoller Umgang miteinander gewährleistet ist.
Mir persönlich fällt es deutlich schwerer, mein Temperament zu beherrschen, nachdem ich zwanzigmal verletzt wurde und es einfach nicht angesprochen habe, als wenn ich nur einmal verletzt wurde. Viel leichter werde ich selbst beleidigend, wenn ich zu lange geschwiegen habe. Geht es dir nicht auch so? Also biete doch gar nicht erst die Fläche, dass es so weit kommen muss.
Ich denke, der nächste Schritt ist klar:
Suche dieses längst überfällige Gespräch. Gib deiner Freundin/deinem Freund damit die Möglichkeit, ihr/sein Verhalten zu ändern. Und gib dir damit selbst die Möglichkeit, die verletzenden Worte oder Taten loszulassen und Vergebung auszusprechen.
Dafür musst du zunächst die Hürde überwinden und zugeben, dass du überhaupt verletzt worden bist. Es zeugt schon von einiger Kraft, dies zu tun, weil es sich wie eine vermeintliche Schwäche anfühlen mag, dass dich diese Worte oder diese Taten getroffen haben. Aber nur, wenn die Wunde offenliegt, kann eine Person ihr Wort oder ihre Tat bereuen und Vergebung empfangen. Grundsätzlich macht es auch dir die Vergebung leichter, wenn du der Person die Möglichkeit gibst, sich überhaupt bei dir zu entschuldigen. Und das funktioniert gut in einem offenen und klärenden Gespräch unter vier Augen.
Den Mut und die richtigen Worte für das Gespräch wirst du nur mit Jesus in der Situation finden. Er ist so sehr daran interessiert, dass du in gesunden und soliden Freundschaften lebst. Und auch daran, dass niemand von uns respektlos behandelt wird. Gib ihm deine Lage im Gebet ab und er wird sie mit dir regeln. Du brauchst Gottes Kraft und er wird sie dir gern geben.
„Seid in herzlicher Liebe miteinander verbunden, gegenseitige Achtung soll euer Zusammenleben bestimmen.“ (Römer 12:10)
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