Mein Wecker sagt: „Aufstehen!“ Einmal noch umdrehen, kurz liegenbleiben, innehalten, vielleicht schaltet er sich ja von selbst aus. Nee, leider nicht. Ich raffe mich auf und kümmere mich um die schrillen Laute. So weit ist alles unverändert. Doch was sich geändert hat, ist der Umstand, dass ich an diesem Tag keinen Bus und keine S-Bahn verpassen kann. Seit ungefähr einem Jahr spielt sich mein Alltag fast ausschließlich in den eigenen vier Wänden ab. Sämtliche Aufgaben werden überwiegend online erledigt, soziale Kontakte häufig ebenso. Nicht nur die Schritte-App meines Smartphones lässt mich erkennen, dass der Spaziergang zum Supermarkt zu einem Highlight meines noch analogen Lebens geworden ist.
Doch diese Zeit hat das Potenzial für deutlich größere Auswirkungen als beispielsweise die Reduktion der getätigten Schritte pro Tag. Unsere sozialen Kontakte haben sich in vielerlei Hinsicht verändert. Digitale Kleingruppen sowie Online-Veranstaltungen sämtlicher Art sind inzwischen Usus. Und ich meine, zu beobachten, dass sich auch der allgemeine zwischenmenschliche Umgang verändert. Vielleicht ist es nur mein subjektives Empfinden, doch ich habe das Gefühl, dass Diskussionen heißer geführt werden, dass Positionen vehementer vertreten werden, dass Polarisierung hoch im Kurs steht. Egal, ob die US-Präsidentschaftswahl, die Impfung gegen COVID-19 oder die wiederkehrende Frage nach Lockerungen oder Verschärfungen der Maßnahmenpakete. Gefühlt wird die Stimmung emotionaler, während ich die Sorge habe, dass wir als Menschheit in sozialer Hinsicht abbauen – uns voneinander entfernen.
Es ist leichter, weniger Liebe, Rücksicht und Verständnis aufzubringen, wenn wir uns ausschließlich online begegnen. Mimik, Gestik, das gewisse Fingerspitzengefühl sowie das allgemeine Wahrnehmen zwischenmenschlicher Signale spielen hierbei eine untergeordnete Rolle. Dabei sind diese Dinge essenziell für unsere Menschlichkeit und emotionale Nähe zu unseren Nächsten. Und genau diesen Punkt möchte ich heute anbringen: Lasst uns in dieser von Distanz geprägten Zeit unsere Menschlichkeit und unser Mitgefühl nicht vergessen. Distanz, die durch die Maßnahmenpakete in erster Linie physischer Natur ist, doch letzten Endes auch auf psychischer Ebene ankommen kann.
Lasst uns darauf achten, dass unsere Nächstenliebe nicht erkaltet. Dies ist nicht nur mein persönlicher Appell, sondern in erster Linie ist es Teil des höchsten Gebotes, welches uns beispielsweise in Markus 12 durch Jesus Christus höchstpersönlich gegeben wird. Es ist brandaktuell und zutiefst relevant für die gegenwärtige Zeit. In Lukas 6 sagt Jesus den damaligen Menschen sowie uns heute, dass wir sogar unsere Feinde lieben sollen. Das Gebot der Nächstenliebe beschränkt sich nicht auf unsere Familie und Freunde, es ist allgemeingültig!
„Oder wollt ihr etwa noch dafür belohnt werden, dass ihr die Menschen liebt, die euch auch lieben? Das tun selbst die Leute, die von Gott nichts wissen wollen. Ist es etwas Besonderes, denen Gutes zu tun, die auch zu euch gut sind? Das können auch Menschen, die Gott ablehnen. Und was ist schon dabei, Leuten Geld zu leihen, von denen man genau weiß, dass sie es zurückzahlen? Dazu braucht man nichts von Gott zu wissen. Ihr aber sollt eure Feinde lieben und den Menschen Gutes tun.“
(Lukas 6:32-35a)
Zutiefst bin ich davon überzeugt, dass wir als Christen auf diese Weise einen bemerkenswerten Unterschied machen können, ja, alle gemeinsam sogar die Welt verändern können. Doch es fängt bei dir und mir persönlich an. Wenn du und ich verstehen und annehmen, dass Gott uns bedingungslos liebt, dann können wir uns selbst lieben und dadurch auch unseren Nächsten lieben. So, wie Jesus es gesagt hat.
Es beginnt also bei dir und mir. Lass uns den Fokus auf unseren himmlischen Vater richten, seine Liebe für uns aufsaugen und schließlich an unser Umfeld weitergeben. Auch und insbesondere in dieser von Distanz geprägten Zeit. Durch liebevolle Gesten, durch freundliche Worte, durch Geschenke, durch Aufmerksamkeiten. Achte auf deinen Nächsten.
Und wenn morgen Früh auch dein Wecker klingelt, dann ist die Welt mit Sicherheit nicht wieder die alte, doch unser Gott, der Herr, bleibt derselbe. Jesu Worte haben Bestand. Gestern, heute und auch morgen. Deine Nächstenliebe macht einen Unterschied!
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