„Ich gehöre meinem Geliebten; und ich bin es, nach der er sich sehnt. Komm, mein Geliebter, wir wollen aufs Feld hinausgehen und die Nacht zwischen wilden Blumen verbringen. Lass uns früh am Morgen hinaus in die Weinberge gehen. Lass uns nachsehen, ob die Weinstöcke bereits treiben, die Knospen sich öffnen und die Granatapfelbäume blühen. Dort will ich dir meine Liebe schenken! Die Liebesäpfel verströmen ihren Duft und köstliche Früchte liegen vor unserer Tür, neue wie alte: Ich habe sie für dich aufbewahrt, mein Geliebter.“ (Hohelied 7:11-14)
Nach einem langen lustvollen Vorspiel endet das Hohelied im Versprechen zur sexuellen Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau.
Vielleicht ist das nicht die Art von Text, die du in der Bibel erwartet hättest. Das Lied der Lieder knistert voller erotischer Poesie. Und weil es zwischen dem Alten und dem Neuen Testament gut versteckt liegt, ist es vermutlich auch nicht das erste und auch nicht das zweite Buch, das wir aufschlagen und lesen, wenn wir zum ersten oder zweiten Mal eine Bibel in der Hand halten. Und um ehrlich zu sein, in den Kirchen wird darüber eher selten gepredigt. Wenn dort über Sex gesprochen wird, dann doch meist darüber, was man nicht tun oder lieber lassen sollte.
Das Liebespaar im Hohelied begegnet sich vollkommen gleichberechtigt. Es spricht sich abwechselnd eine klare sexuelle Sehnsucht nacheinander zu. Das Lied preist hier ganz offen lustvollen, aufregenden und verbindlichen Sex zwischen Mann und Frau. Es erinnert uns daran, dass Sexualität ein wundervolles Geschenk Gottes für uns Menschen ist.
Doch ist das auch unsere Erfahrung mit oder Erwartung an Sex?
Denn in der Realität erleben Mann und Frau ihre jeweils eigene Sexualität und den gemeinsamen Geschlechtsakt signifikant unterschiedlich, weil wir zwar gleichwertig, jedoch nicht gleichartig erschaffen sind.
Nach 10 Jahren Ehe haben mein Mann und ich schon so einige Höhen und Tiefen in unserer Ehe und, ja, auch in unserem Sexleben erlebt. Damit sind wir kein Einzelfall. Unsere Wunschvorstellung, wie regelmäßig und häufig es passieren könnte, stimmt selten überein. Nur als Randnotiz: Ein hohes sexuelles Verlangen haben Frauen genau einmal im Monat. Beim Eisprung. Spontan komme ich aktuell selten auf die Idee, häufiger mit meinem Mann zu schlafen. Deshalb sprechen wir immer wieder über unsere Wünsche und auch Herausforderungen beim Sex. Wir probieren Neues aus und lassen manches davon auch wieder sein. Nicht alles ist für uns beide angenehm und manche Dinge funktionieren auch einfach nicht so, wie wir sie uns vorgestellt hatten. Wir haben den Wunsch, dass wir in unserer Ehe eine anhaltende, erfüllte Sexualität für uns beide erfahren. Und weil Mann und Frau Sex schlichtweg anders erleben, muss gute Paarsexualität gelernt werden. Das passiert nicht einfach so.
Ich möchte euch heute 3 entscheidende Gründe dafür nennen, dass Frauen Geschlechtsverkehr oft anders erleben, als Männer es tun. Beginnen wir ganz am Anfang!
1. Das erste Mal!
Das ist übrigens der Moment, den du wahrscheinlich nie vergessen wirst. Es ist ein ganz besonderes Erlebnis. Umso mehr sollte man sich sicher sein, mit wem und wann man diese einzigartige Erfahrung teilt. Bei Frauen wird beim ersten Sexualakt das sogenannte Jungfernhäutchen (Hymen) durchbrochen. Dieses dünne ring- oder halbmondförmige Hautläppchen umschließt den Scheideneingang und ist normalerweise bis zum ersten Geschlechtsverkehr intakt. Dringt der Partner mit seinem erigierten Penis in die Vagina ein, kann das Hymen verletzt werden, was leichte Blutungen und Schmerzen verursachen kann. Diese unterschiedlich stark empfundenen Schmerzen beim ersten Geschlechtsverkehr erleben nur Frauen. Wie frei und ausgiebig sie sich dann auf die weiterführende sexuelle Zweisamkeit einlassen, hängt nicht selten davon ab, wie sie diesen Moment erlebt haben. Und das kann der Mann beeinflussen.
Ein Tipp für unverheiratete Paare: Wenn ihr euch als Paar vorgenommen habt, mit dem ersten Mal bis zur Ehe zu warten, dann kann ich euch nur wärmstens empfehlen, damit am Tag nach der Hochzeit ganz entspannt zu starten. Es muss nicht in der Hochzeitsnacht passieren! Setzt euch nicht unter unnötigen Druck. Zeit, aufrichtiges Vertrauen, tiefe Nähe, viele Zärtlichkeiten und Behutsamkeit spielen für Frauen eine große Rolle. Genießt euer Vorspiel!
Außerdem beginnt guter Sex vor der Ehe. Redet über eure Vorstellungen, Ängste und auch bisherigen sexuellen Erfahrungen. Guter gemeinsamer Sex beginnt mit ehrlicher Kommunikation und ohne Eile. Genau dann, wenn man sich die Zeit nimmt und bereit ist, sich ohne Druck und ohne Scham aufeinander einzulassen!
2. Baby on board!
Frauen können beim Sex schwanger werden! Wir wissen das eigentlich alle, und doch haben wir in Deutschland jedes Jahr über 100.000 Schwangerschaftsabbrüche, weil Frauen unerwartet oder ungewollt schwanger geworden sind. Das ist kompliziert und schmerzhaft. Oft müssen Frauen durch dieses Trauma allein durch. Immer häufiger entscheiden sich Frauen aber auch für das Kind, selbst dann, wenn der Erzeuger keine väterliche Verantwortung übernehmen möchte. Trotz Aufklärung und guter Verhütung kann es bei jedem Geschlechtsverkehr dazu kommen, dass neues Leben entsteht.
Die Angst vor ungeplanter Schwangerschaft kann für Frauen ein kompletter Lustkiller sein. Sex bedeutet immer auch, Verantwortung für den anderen und für ein potenziell entstehendes Leben zu übernehmen.
Wir haben zwei Kinder und mein Kinderwunsch ist erfüllt. Aktuell haben wir die Verhütungsfrage bis zu meiner Menopause noch nicht zufriedenstellend geklärt. Ich will keine Hormone mehr zu mir nehmen und seit ein paar Jahren müssen Kondome hinhalten. Das ist ein weiterer Faktor, der meine Lust immer wieder deutlich bremst. Und bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich mit meinem Mann ungehemmt Sex haben „werde“, weil ich nicht mehr schwanger werden kann, sind es bei mir noch gute 10 Jahre hin.
3. Der Höhepunkt!
Der gleichzeitige Orgasmus von Mann und Frau ist eine Wunschvorstellung von vielen Paaren. Wer das mit seinem Partner erleben möchte, muss lernen, wodurch sich der Orgasmus bei Mann und Frau unterscheidet, und dann heißt es üben, experimentieren und weiter üben.
Männer kommen häufiger zum Orgasmus als Frauen. Das nennt man „Orgasm Gap“. Eine Studie der kalifornischen Chapman University befragte dazu im Jahr 2017 über 52.000 Männer und Frauen, die zu dem Zeitpunkt aktiv in einer verbindlichen Beziehung lebten. Das Ergebnis war, dass 95 Prozent der heterosexuellen Männer so gut wie immer beim Sex kommen. Nur 65 Prozent der heterosexuellen Frauen haben üblicherweise einen Orgasmus. Die männliche genitale Erregung kann recht schnell und dann auch nicht mehr unterdrückbar ansteigen. Frauen hingegen brauchen auch hier Zeit und müssen dafür gedanklich und körperlich loslassen können. Rein vaginaler Sex führt bei Frauen nicht unbedingt zum Orgasmus. Das habe auch ich noch nicht erlebt. Bei den meisten weiblichen Orgasmen ist die Klitoris beteiligt. Orgasmen bei Frauen lassen sich insbesondere durch die manuelle und/oder orale Stimulation von Klitoris und Vulva auslösen. Wenn das bei beiden klappt, kann man lernen, den gemeinsamen Höhepunkt zu finden.
Sex ist so viel mehr als nur „rein und raus“. Und wer sich als Paar gemeinsam auf eine leidenschaftliche Entdeckungsreise wagen möchte, wodurch beide Partner erfüllten Sex erleben können, dem empfehle ich diese 2 Bücher: „Licht an, Socken aus!“ von Dr. Kevin Leman (Psychologe und Christ) sowie „Liebeslust“ von Veronika Schmidt (Sexologin und Christin).
Was auch immer deine Prägung und Erfahrung mit Sex bisher ist, um als Paar gemeinsam daran Freude zu haben, braucht es ein tiefes Vertrauen zueinander, ein gemeinsames Level an Experimentierfreudigkeit und Lernbereitschaft.
Nur mir gehört mein Liebster, und ich gehöre ihm. (Hohelied 2:16/6:3)
Das ist für mich der beste Satz aus dem Hohelied für die eine und exklusive Partnerschaft der Ehe. In dieser Beziehung feiert die Bibel richtig guten Sex zwischen Mann und Frau. Warum also nicht?! Loslassen. Ausprobieren. Lernen. Als Mann und als Frau seid ihr mit euren Körpern ein Geschenk füreinander. Damit Frauen gleichwertig guten Sex erleben, dürfen wir, nein, müssen wir dieses Geschenk auch komplett auspacken und uns ganzheitlich darauf einlassen.
Also Licht an und Socken aus. Für den Mann, für die Frau und füreinander.
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