Ich bin ziemlich gut darin, alltägliche Probleme und Aufgaben zu lösen. Ich führe To-do-Listen auf Papier und in Notes auf meinem Smartphone. Es gibt mir einen kurzen Kick, wenn ich ein Häkchen setzen kann, eine Sache mehr durchgestrichen ist oder gelöscht wurde. Es gibt immer etwas zu tun. Schon vor der Pandemie war mein Leben gut gefüllt.
Als Mutter durfte ich bereits lernen, dass Dinge oft anders kommen, als ich sie geplant habe. Während ich das hier tippe, ist eines meiner Kinder wieder mal unerwartet zu Hause und nicht wie gewöhnlich in der Kita. Meine Tochter hat eine ganz harmlose, jedoch infektiöse Kinderkrankheit. Als Ehefrau weiß ich mittlerweile häufiger zu schätzen, dass mein Mann durchaus mal andere Lösungsansätze hat als ich, die dann nicht ganz mit meinen im Einklang stehen. In meinem Beruf erlebe ich immer wieder, dass ich Menschen mit bester Absicht motivieren möchte, in eine gesunde Richtung zu gehen, und sie sich dennoch für einen anderen Weg entscheiden. All das führt immer wieder zu Spannungen. Um mich herum und auch in mir drin.
Leider sind nicht alle Spannungen lösbar. Manche muss man einfach aushalten. Die größten Herausforderungen und Krisen sind die, die man nicht auf sich zukommen sieht.
So wie die letzten eineinhalb Jahre. Ganz plötzlich saßen wir alle im selben Boot. Nur sah das Boot hier und da erheblich anders aus. Den ersten Lockdown erlebte ein Single vermutlich anders als ein Paar – und als eine Familie mit kleinen Kindern, mit einem Kind, mehreren Kindern, fast volljährigen Kindern, Schulkindern oder Kitakindern. Einige von uns waren auf einmal systemrelevant, andere leider überhaupt nicht mehr. Plötzlich sollten viele von uns die Arbeit in Vollzeit oder Teilzeit weiter wie bisher aus dem Home Office rocken. Andere waren von heute auf morgen arbeitslos oder in Kurzarbeit. Schulabgänger begannen ihr Studium, ohne die neuen Kommilitonen in echt sehen und treffen zu können. Hochzeiten und andere Feiern fanden mit virtuellen Gästen statt oder wurden verschoben. Schüler durften ab sofort die Schulaufgaben mit oder ohne vorhandenes Endgerät von zu Hause aus wuppen. Man war und traf sich nur noch mit einer sehr reduzierten Anzahl von Menschen in den eigenen vier Wänden. 24/7-Alltag in einer 1-, 2-, 3-, 4-Zimmer-Wohnung mit oder ohne Balkon. Oder in einer Doppelhaushälfte mit oder ohne Garten. Oder im Haus auf dem Land mit ganz viel Auslauf. Diese Liste lässt sich noch lange fortsetzen.
Für einige hat sich vielleicht gar nicht so viel verändert. Für andere war sofort alles anders. Mit mir hat diese Zeit etwas gemacht. Ich hatte meine ganz eigene Grenzerfahrung.
Nach 18 Monaten Ausnahmezustand ist immer noch nicht klar, wie die neue Normalität aussehen wird. Auch wenn viele Spekulationen kursieren, ich weiß es nicht.
Schon nach dem ersten Lockdown, der im März 2020 begann und für uns als Familie strikte 12 Wochen andauerte, war mir klar: Ich kann das nicht. Nicht noch einmal und sicherlich nicht dauerhaft. Zuerst habe ich versucht, die neue Situation mit Humor zu sehen. Dann bin ich mit ganz viel Elan, Flexibilität und Ehrgeiz an die neuen, nicht nachhaltig zu bewältigenden Alltagshürden herangegangen. Schließlich war auch bei mir die Luft raus. Ich funktionierte noch. Irgendwie. In mir drin war ich leer.
Die Krise um mich herum wurde zu einer Krise in mir drin.
Unter Druck zeigt sich leider ziemlich schnell, was in einem selbst steckt. So auch dieses Mal bei mir. Ich hatte meinen allerersten Nervenzusammenbruch. Es ging nichts mehr. Mein Mann ermöglichte mir eine kurze Auszeit und hielt zu Hause die Stellung. Ich ging für 9 Tage allein aufs Land, in die Stille, zur Selbstreflexion. Ich horchte und hörte, was Gott mir durch die emotionalen Schmerzen sagen wollte.
Ich habe nicht gejubelt. Ich habe geschrien, gejammert und geweint. Manchmal muss man einfach ehrlich und laut Autsch sagen, um sich dann die Wunde genauer ansehen zu können.
Ich wage zu behaupten, dass sich für sehr viele von uns in letzter Zeit so einiges verändert hat. Nicht nur um uns herum, sondern auch in uns drin. Veränderung und Heilung beginnt bei mir selbst. Das ist leider häufig nicht sehr angenehm.
Vor wenigen Tagen las ich diese wundervolle Zusage von Gott aus Jeremia 17, die zuvor mit einer Warnung beginnt:
„Ich, der HERR, sage: Mein Fluch lastet auf dem, der sich von mir abwendet, seine Hoffnung auf Menschen setzt und nur auf menschliche Kraft vertraut. Er ist wie ein kahler Strauch in der Wüste, der vergeblich auf Regen wartet. Er steht in einem dürren, unfruchtbaren Land, wo niemand wohnt. Doch ich segne jeden, der seine Hoffnung auf mich, den HERRN, setzt und mir ganz vertraut. Er ist wie ein Baum, der nah am Bach gepflanzt ist und seine Wurzeln zum Wasser streckt: Die Hitze fürchtet er nicht, denn seine Blätter bleiben grün. Auch wenn ein trockenes Jahr kommt, sorgt er sich nicht, sondern trägt Jahr für Jahr Frucht.“ (Verse 5 – 8, NLB)
Wie genial ist diese Verheißung! Wenn du deine Hoffnung auf den Herrn setzt und ihm ganz vertraust, dann können ein oder zwei oder vielleicht auch drei harte, trockene Jahre kommen, doch dein Leben wird weiterhin gute und gesunde Frucht tragen. Nebenbei gesagt, die Frucht muss nicht riesig sein. Kleine Früchte sind auch Früchte. Es geht hier nicht um Form, Farbe oder Größe, sondern schlicht und einfach um Frucht. Wie zum Beispiel diese hier: Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung (vgl. Galater 5:22).
Wie sehen deine Wurzeln gerade aus? Worin bist du verankert? Worauf vertraust du? Was nährt dich und stärkt dein Herz? Bist du ehrlich zu dir selbst? Oder maskierst du sogar deine eigenen Zweifel, Kämpfe oder Sorgen? Versuchst du, dein Leben aus eigener, menschlicher Kraft zu leben, oder setzt du dein Vertrauen wirklich auf den Herrn?
Auch ich stelle mir diese Fragen! Nicht zum ersten Mal. Erneut. Die Krise ist noch nicht ganz vorbei. Die Krise in mir drin auch noch nicht. An meinem Herzen und meinen Wurzeln bin ich dran. Nicht ganz allein. Mit Gott, dem Heiligen Geist, meinem Mann und ein paar wenigen Menschen gemeinsam.
Ich möchte dich heute konkret hierzu ermutigen: Wenn du so wie ich spürst, dass die Krise um dich herum zu einer Krise in dir drin geworden ist, dann halte sie nicht mehr nur aus, sondern suche dir Hilfe.
Finde einen Weg, der dich dabei unterstützt, dich selbst zu reflektieren, damit du erkennst, was sich bei dir verändern darf, um dann wieder zu heilen, zu genesen, Schritt für Schritt zu neuer Kraft zu kommen.
Isoliere dich nicht, sondern suche verbindliche und echte Gemeinschaft. Vertrau dich einer Freundin/ einem Freund an. Sei ehrlich und echt. Du musst dich nicht verstecken. Du bist mit deinen Herausforderungen nicht allein. Gemeinsam lassen sich Probleme, Krisen und auch Spannungen viel besser lösen oder manchmal einfach auch nur aushalten.
Suche dir Menschen, die dich immer wieder ermutigen, deine Hoffnung auf Gott zu setzen, deinen Blick nach oben zu finden und zu halten. Ich habe mit meiner Kleingruppe gerade einen Kurs begonnen, der sich „Keys to Freedom“ nennt.
In anderen Blogbeiträgen der letzten Wochen wurden bereits einige weitere gute Tools und Wege kommuniziert, die solch einen Heilungsprozess unterstützen können. Schau noch mal nach und probiere einen oder mehrere einfach mal aus.
Ich glaube fest daran, dass Gott uns durch Krisen führen will und wird und wir hinterher gesünder, gestärkter und widerstandsfähiger daraus hervorkommen werden.
Und jetzt mache ich für heute einen weiteren Haken auf meiner To-do-Liste und gehe schlafen. 😉
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