„Jona und der unverschämt barmherzige Gott“
Ich muss ehrlich zugeben, mir diese Phrase nicht selbst ausgedacht zu haben. Vielmehr ist es der Titel des Buches, das ich im vergangenen Jahr zusammen mit meinem Freund gelesen habe. Als ich das Thema unserer aktuellen Blogreihe „Persönlichkeiten der Bibel“ gelesen habe, fing mein Kopf an zu rauchen. Wie um alles in der Welt sollte ich aus dem Buch der Bücher die Person der Personen herausfiltern, über die ich hier schreiben und mit der ich dich ermutigen möchte? Was tat ich also? Ich stellte mich vor mein Bücherregal und hoffte auf Inspiration. Und so kam sie auch nach nicht einmal 3 Sekunden. Das Buch „Jona und der unverschämt barmherzige Gott“ fiel mir in die Augen und ich wusste: Das ist es, oder eher, DER ist es, Jona.
Wie auch der Autor des Buches, Timothy Keller, schreibt, so kennen die meisten Menschen, die in einer christlichen Familie aufgewachsen sind, die Geschichte von Jona schon seit Kindestagen und im Kopf malt sich, zumindest bei mir, stets ein fantasievolles Bild und Spektakel, wie ein großer Fisch den kleinen Jona verschluckt und später in hohem Bogen wieder ausspuckt. Den Rest der Geschichte erinnerte ich oftmals nicht genauer, sondern merkte mir nur noch diesen seltsamen Ortsnamen: Ninive. Vielleicht geht es dir ähnlich?
Doch beschäftigt man sich erneut mit den 4 Kapiteln des biblischen Buches, so ist die Zahl der Themen weitaus größer und tiefgreifender, als man denkt, und nach der Lektüre des Buches von Timothy Keller kann ich nicht anders, als über Gottes Gnade, Güte und seine Wege mit den Menschen damals und heute zu staunen. Was mich besonders angesprochen und fasziniert hat, will ich dir gern erzählen.
Als Germanistikstudentin habe ich ein Faible für den Aufbau literarischer Werke und so sieht auch der sorgfältige Leser im Buch Jona mehr als eine bloße Story mit dem großen Fisch als den dramatischen, wenn auch wenig glaubwürdigen Höhepunkt. Vielmehr kann man ein geniales, meisterhaft gestaltetes literarisches Werk erkennen. In den Kapiteln 1 und 2 erhält Jona von Gott einen Auftrag, den er nicht befolgt; in den Kapiteln 3 und 4 erhält er den Auftrag erneut, und diesmal gehorcht er. Somit ergeben die beiden Episoden ein fast vollständig paralleles Muster. Nichtsdestoweniger nehmen viele Leser das Buch Jona nicht ernst, gerade weil seine Rettung aus dem Sturm in Kapitel 2:1 so beschrieben wird, dass Gott „einen großen Fisch“ kommen ließ, der Jona „verschlang“. Was in uns zu Kindertagen keine weiteren Nachfragen oder Zweifel aufkommen ließ, stellt heute die Weiche dafür, wie wir den Rest der Bibel lesen und verstehen. Wer nämlich die Existenz Gottes und die Auferstehung von Jesus, die doch ein viel größeres Wunder als Jonas Rettung ist, akzeptiert, der kann auch das Buch Jona weiterhin wörtlich lesen. Denn blickt man genauer auf diesen Teil des Wunderberichts, so deutet nichts darauf hin, dass der Autor von reinen Erfindungen schreibt. Ein Geschichtenerzähler benutzt normalerweise übernatürliche Mittel, um eine Geschichte spannender zu machen und die Aufmerksamkeit seiner Leser zu fesseln, doch der Autor des Buches Jona lässt diese Chance aus. Indem er sich auf knapp zwei Verse beschränkt, verzichtet er auf jegliche Detailausschmückung des Fisches und der Situation. So durfte ich lernen, dass es uns in solchen und anderen Geschichten nicht darauf ankommen sollte, sich an vermeintlich unglaubwürdigen Details aufzuhalten und davon ablenken zu lassen, sondern den Fokus immer wieder auf das Wesentliche der Geschichte und deren Personen zu richten.
Insbesondere Jona ist eine Person, an die ich selten bis nie die Erwartung hatte, dass sie mir in irgendeiner Art und Weise ähnlich wäre. Bei der erneuten Lektüre des biblischen Buches in Kombination mit Timothy Kellers Buch über Jona wurden mir jedoch die Augen geöffnet und mehr als einmal fand ich mich wieder. Jona will einen Gott nach seinem eigenen Bild haben, einen Gott, der die Bösen bestraft und die Guten segnet. Und jedes Mal, wenn der wahre Gott, also nicht die Konstruktion Jonas, sich offenbart, versteht Jona die Welt nicht mehr. Der wahre Gott ist für ihn ein Rätsel, weil er Gottes Gnade und Gottes Gerechtigkeit nicht zusammenbringen kann. Wie, so fragt Jona oft und auch ich fühlte mich ertappt, kann Gott Menschen vergeben, die so viel Gewalt und Böses verübt haben? Wie kann Gott gleichzeitig gnädig und gerecht sein? Leider wird diese Frage im Buch Jona nicht beantwortet, doch – und das meinte ich ein paar Zeilen zuvor damit, dass wir durch das Buch Jona auch die anderen Bücher der Bibel besser verstehen lernen – stellt das Buch Jona ein Kapitel dar, das die Haupthandlung der Bibel ein wichtiges Stück weiterführt. Es lehrt uns nämlich, nach vorne zu schauen und zu sehen, wie Gott die Welt durch denjenigen rettete, der sich „mehr als Jona“ (Matthäus 12:41) nannte. Insbesondere dadurch konnte er sowohl gerecht sein, als auch diejenigen für gerecht erklären, die an ihn glauben würden (vgl. Römer 3:26). Genau da schließt sich unsere Lebenswelt an. Wenn wir als Leser dieses Evangeliums der unverschämten Gnade Gottes wirklich begreifen, werden wir weder grausame Tyrannen, wie die Leute aus Ninive, noch fromme Pharisäer wie Jona, sondern wir werden die Männer und Frauen, die sich vom Heiligen Geist verändern lassen und Jesus immer ähnlicher werden.
Beide Episoden (Kapitel 1 und 2 sowie 3 und 4) zeigen also, wie der gläubige Jona mit Menschen umgegangen ist, die ethnisch und religiös anders waren als er. Es zeigt Gottes Liebe zu Menschen und Gesellschaften außerhalb der Gemeinschaft Gläubiger sowie seine Ablehnung von zerstörerischem Nationalismus und der Geringachtung anderer Völker und Ethnien, weshalb es auch heute nicht aktueller sein könnte. Und bei all dem kann es uns lehren, trotz der Hürden, Hindernisse und Herausforderungen, ein/e „Missionar/in“ in der Welt zu sein. Wenn wir das alles und die Lehren daraus begreifen, können wir zu Brückenbauern, zu Friedensstiftern und zu Dienern der Versöhnung in der Welt werden – also zu den Menschen, die die Welt so dringend braucht. Dazu ermutige ich dich und ermutigt das Buch Jona uns! Sei also herzlich eingeladen, mal wieder einen Blick in dieses Buch der Bibel zu werfen und vielleicht sogar Timothy Kellers Buch hinzuzunehmen.
2 Comments
pneumatheou
Hallo Fiona
vielleicht zeigt einem die Lebensgeschichte von Jona, wie wir uns selbst überwinden können, um unsere Feinde zu lieben. Vielleicht auch, wie Vergebung in all dem Schmerz und Leid durch unsere Feinde Frieden, Barmherzigkeit und Güte finden kann. Vielleicht aber auch auf das Gute, in allen Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten der Menschen, zu hoffen. Mögen wir ihnen die Möglichkeit zur Besinnung und Umkehr geben … und nicht verweigern und uns dafür drücken. Wie denkst du darüber?
Fiona Happel
Da äußerst du sehr spannende Gedanken! Ich stimme dir voll zu, dass man aus Jonas Geschichte noch so viel mehr lernen kann. Gerade deshalb ist die Geschichte auch heute noch so aktuell und betrifft jeden Menschen ganz persönlich. Wie schön, dass du schon so viel aus der Geschichte herauslesen und lernen konntest. Ganz viel Segen weiterhin für dich!(: