Schluss machen mag wohl keiner so wirklich. Aus Film und Fernsehen kennen wir die unterschiedlichsten Wege und Möglichkeiten, eine Liebesbeziehung zu beenden, und wir wissen auch, dass es mit Kummer, Frust, Ärger, vielleicht auch Wut oder aber ein Stück weit Erleichterung verbunden sein kann. Doch was ist, wenn wir in einer Freundschaft merken, dass sich etwas verändert hat? Mit der besten Freundin oder dem besten Freund hat man oftmals mehrere Jahre des Lebens verbracht, ist durch dick und dünn gegangen, hat sein Herz ausgeschüttet und sicherlich auch viele schöne und unvergessliche Momente zusammen erlebt. Geht es also überhaupt, mit der besten Freundin oder dem besten Freund Schluss zu machen?
Ich denke, dass vor all dem eine Analyse und Reflexion der Situation stehen sollte. Nichts wäre fataler, als eine Freundschaft von heute auf morgen zu beenden, weil eine Unstimmigkeit zu einem Streit führte oder einer von beiden einfach mal einen schlechten Tag hatte. Vielmehr sollte eine Freundschaft genau das aushalten können und dadurch gekennzeichnet sein: sich gegenseitig akzeptieren und gemeinsam reflektieren, konstruktive Kritik üben und sich nach einem Streit aussprechen und anschließend wieder versöhnen. Dennoch kann es dazu kommen, dass man gemeinsame Treffen und Aktionen vermehrt als belastend und weniger energiegebend wahrnimmt. Ich erlebe insbesondere in der heutigen Zeit, dass volle Terminkalender und jede Menge Verpflichtungen in Beruf, Familie und Partnerschaft unseren Alltag prägen. Gute Freunde sollten also in dieser Zeit und einem turbulenten Alltag vielmehr erden und neue Kraft geben, als uns auszulaugen. Umso wichtiger erscheint es, rechtzeitig zu erkennen, an welchem Punkt eine Freundschaft ihr „Verfallsdatum“ erreicht, wenn nicht sogar überschritten hat. Blicke doch mal auf deine Freundschaften und analysiere das gegenseitige Investment. Oftmals passiert es unterbewusst, dass Freundschaften einseitig geworden sind und nur eine Person nach gemeinsamen Treffen fragt, immer ein offenes Ohr hat und mit Rat und Tat zur Seite steht. Ich will dich an dieser Stelle ermutigen, einmal darüber nachzudenken, wie du deine bisherigen Freundschaften gelebt hast und was eventuell sehr egoistisch oder auch unausgeglichen war. Wenn wir wirklich tiefe Freundschaften leben wollen, dann müssen wir in eine oder wenige Freundschaften viel investieren. Es wird Zeit und Kraft kosten, um eine vertrauensvolle Tiefe zu bekommen, aber alle Mühe wird sich lohnen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Kontakthalten aus Gewohnheit. Insbesondere nach Jahren langer Freundschaft ist es nicht unnormal, dass man sich irgendwann doch in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Das kann die eigene Persönlichkeit, Ansichten und Interessen, einen Umzug oder unterschiedliche Lebenssituationen betreffen. Plötzlich sieht man sich nicht mehr regelmäßig, tauscht sich nur noch oberflächlich per Kurznachricht aus und zum Geburtstag gratuliert man sich gerade noch aus Form und Höflichkeit. Auch das bietet Anlass, die Freundschaft zu reflektieren und Konsequenzen daraus zu ziehen.
Ein weiterer Punkt ist das Vertrauen. Jede harmonische zwischenmenschliche Beziehung basiert auf Vertrauen und so sollte dies auch in einer guten Freundschaft der Fall sein. Wenn wir in einer Freundschaft Dinge thematisieren, die uns belasten, dann sollten wir sicher sein dürfen, dass diese den Rahmen der Freundschaft nicht verlassen bzw. weitererzählt werden. Vielmehr sollte einander das Vertrauen entgegengebracht werden, auch mit schwierigen Themen zum Gegenüber kommen zu können. Schau also auf dich und deine Freundschaften: Wo bist du vertrauensvoll im Umgang mit intimen Themen anderer und wo erwartest du von deinen Freunden ein gewisses Vertrauen? Wann hast du vielleicht etwas weitererzählt, was nicht dafür bestimmt war und wo wurdest du verletzt, weil ein dir wichtiges Thema einfach ausgeplaudert wurde?
Sicherlich haben wir alle eine bestimmte und somit automatisch unterschiedliche Vorstellung von einer und Erwartung an eine Freundschaft. Bevor du eine Freundschaft also beendest, solltest du dir über deine Erwartungen diesbezüglich bewusst werden. Sind deine Ansprüche an Menschen solche, die eigentlich nur Gott erfüllen kann? Bist du ein fordernder Freund oder investierst du gern in die Freundschaft und bringst dich selbst aktiv ein, weil du erkannt hast, dass es nicht zuallererst um die Befriedigung deiner persönlichen Wünsche geht? Oder aber ist die Pflege der Freundschaft mehr zu einer Last und energieraubenden Zeit geworden, als dass sie gewinnbringend und fördernd ist?
Schlussendlich ist es also nach einer Analyse und dem reflektierenden Blick auf Freundschaften in Ordnung, diese zu beenden, denn auch mit Freunden kann man Schluss machen. Wichtig ist hierbei, dass stets ein offenes und ehrliches Gespräch (wenn das nicht möglich ist, kann man auch einen Brief schreiben) an einem neutralen Ort und unter vier Augen stattfindet. Am besten wartet man hierbei auch auf einen passenden Moment, in dem das Gegenüber gerade nicht sowieso schon in einer schwierigen Lebenslage steckt. Im Gespräch sollte man dann stets ruhig und sachlich bleiben und erklären, weshalb man zu dem Entschluss gekommen ist, die Freundschaft nicht weiterzuführen. Hierbei hilft es sehr, in Ich-Botschaften zu sprechen und die eigene Wahrnehmung und Empfindung deutlich zu machen („Ich empfinde dein Verhalten als …“, „Ich fühle mich verletzt, wenn …“). Das kann auch helfen, das Gegenüber nicht als Beschuldigten dastehen zu lassen, sondern Raum zu geben, auch das eigene Verhalten schildern und nachvollziehen zu können. Letztlich sollte man dann miteinander klären oder aber klar kommunizieren, wie man sich den weiteren Kontakt vorstellt.
Eine Freundschaft zu beenden, kann demzufolge genauso stressig und emotional belastend sein wie das Beenden einer romantischen Beziehung. Es ist ganz normal, sich danach traurig, wütend oder frustriert zu fühlen. Tu dir in dieser schwierigen Zeit also Gutes und nimm dir die Zeit, die du brauchst, um über die Trennung hinwegzukommen. Ich bin mir sicher, dass Gott viel Gutes in eine Freundschaft legen und uns dadurch auch näher zu ihm bringen kann. Umso wichtiger ist es, dass wir die uns fördernden Freundschaften pflegen und gegenseitiges Investment erleben
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