Ich weiß nicht, ob du die letzten Blogbeiträge gelesen hast, aber das Oberthema unserer aktuellen Blogserie ist „Berufung“. Vielleicht haben dir die letzten Beiträge geholfen, zu erkennen, wie du deine Berufung entdecken kannst, und vielleicht bist du dir jetzt sicherer, worin deine Berufung liegt. Vielleicht schaust du auch noch mal in die vergangenen Beiträge rein und überlegst, wie sie dich persönlich ansprechen und ermutigen können. Meine Frage heute ist allerdings, was eigentlich passiert, wenn wir unsere Berufung gefunden haben. Geht der Alltag dann ganz normal weiter und wie leben wir eigentlich in unserer Berufung?
Lass uns zuerst einmal einen Blick auf den Begriff der Arbeit werfen. Schon zu Beginn der Bibel begegnet uns die Arbeit, indem der Verfasser des 1. Mose das gewaltige Projekt der Erschaffung der Welt durch Gott als Arbeit beschreibt. Anschließend erhalten wir einen Einblick, wie die Menschen im Paradies lebten und arbeiteten. Faszinierend daran ist, dass diese Sicht der Arbeit – also die Verbindung der Arbeit mit der Erschaffung der Welt durch Gott und mit dem Sinn des menschlichen Lebens – unter den großen Religionen und Glaubenssystemen der Welt einmalig bleibt. Auch die folgenden Kapitel der Bibel beschreiben Gott immer wieder als arbeitend. Interessant ist hierbei, dass im Hebräischen das Wort mlkh verwendet wird, was die sonst gewöhnliche menschliche Arbeit bezeichnet. Dadurch, dass Gott also am Anfang gearbeitet hat, können auch wir ein neues Bild bekommen und dürfen wir Arbeit nicht mehr nur als notwendiges Übel, das erst später in die Welt kam, und auch nicht als etwas, das unter der Würde Gottes läge, ansehen. Bei all dem sei nämlich nicht zu vergessen, dass Gott selbst Freude an seiner Arbeit hatte, denn er „betrachtete alles, was er geschaffen hatte, und es war sehr gut!“ (Vgl. 1. Mose 1:31) Aber Gott arbeitet nicht nur selbst, sondern er beauftragt auch Arbeiter, die sein Werk weiterführen. So gab Gott den Menschen, die er ins Paradies gesetzt hatte, den Auftrag, jenen Garten Eden zu „bebauen“ und zu „bewahren“ (vgl. 1. Mose 2:15). Alles in allem bedeutet das also, dass Gott arbeitet, um uns zu versorgen und zu bewahren, aber auch wir für ihn arbeiten, wobei es eigentlich Gott ist, der durch uns arbeitet.
Dies findet seinen Bezug auch zu deiner Berufung! Sehen wir den Ursprung der Arbeit und unsere Berufung nicht als eine Pflicht, die uns keine Freude bereitet, sondern vielmehr als Geschenk Gottes, das unsere ganz individuellen und persönlichen Gaben und Fähigkeiten zum Ausdruck bringt, kann sich auch unsere Einstellung ändern und unsere Identität entwickeln. Arbeiten gehört nämlich genauso wie essen, schlafen, Freundschaften, beten und Sexualität zu unseren menschlichen Grundbedürfnissen. Ohne sinnvolle Arbeit fühlen wir uns oft innerlich leer und unausgefüllt. So darf auch deine Berufung einen Teil deines Arbeitens in dieser Welt einnehmen, der nützlich ist, anderen dient und dich erfüllt. Arbeit kann in Bezug auf die Berufung aus christlicher Perspektive also als etwas gesehen werden, das in erster Linie nicht etwas ist, was man tut, um zu leben, sondern etwas darstellt, wofür man lebt. Wofür schlägt also dein Herz? Wofür brennst du und wofür lebst du?
Wenn du nun herausgefunden hast, worin deine Begabung und womöglich auch deine Berufung liegen, kommt schnell die Frage auf, was es nun heißt, darin zu leben. Ich habe das Thema der Arbeit deshalb behandelt, weil ich der Ansicht bin, dass es in einem unmittelbaren Zusammenhang mit unserer Berufung und unserem Dienst in dieser Welt stehen kann. Wie aus dem oberen Teil deutlich wird, sind wir Menschen zum Gestalten geschaffen. Gott hat uns befähigt und beauftragt, und hat er zwar bei alledem nie das Wort „Work-Life-Balance“ verwendet, so wusste er doch ganz genau, was entscheidend ist, damit wir als Menschen fruchtbar leben. Neben unseren Diensten brauchen wir also immer auch einen Ausgleich. Wir können zwar in unserer Berufung leben, doch das heißt nicht automatisch auch, dass es uns gut geht, wir ausgeglichen und entspannt sind. Somit hat auch Gott selbst am 7. Tag seiner Schöpfungsarbeit geruht. Interessant ist hierbei zudem, dass dieser 7. Tag der erste volle Tag war, den der Mensch erlebte. Das mag wohl kein Zufall gewesen sein, sondern vielmehr sollte auch unser Arbeiten aus der Ruhe heraus geschehen. Auch unser Leben in der Berufung sollte von einem Wechsel des Ruhens und Tuns geprägt sein. Nur weil du deine Berufung gefunden hast, bedeutet das nicht, dass du nur noch arbeiten und dich abmühen musst. Vielmehr solltest du darauf achten, dass du dein „Öl“ nicht nur in EIN Feuer vergießt. Es kann nämlich durchaus sein, dass deine Berufung verschiedene Facetten hat, so wie sich auch dein Charakter nicht nur durch ein Merkmal auszeichnet. Gott hat uns Menschen vielseitig geschaffen und möchte uns mit ALL unseren Fähigkeiten und Gaben in dieser Welt gebrauchen. Du kannst demzufolge in unterschiedlichen Bereichen deines Lebens zu unterschiedlichen Dingen berufen sein: in Freundschaften, Beziehungen, dem Arbeitsumfeld und in der Gemeinde. Ebenso kann sich deine Berufung immer wieder verändern und du musst nicht automatisch für den Rest deines Lebens als Missionar/in, Lobpreisleiter/in, Mutter und Hausfrau bzw. Vater und Hausmann berufen sein. Reflektiere also immer wieder, ob dein Arbeiten und Leben in der Berufung im Gleichgewicht mit Ruhen und Tun ist. Frage immer wieder nach, worin deine Berufung gerade liegen kann. Wichtig zu erwähnen ist mir hierbei auch, dass du nie vergisst, woher deine Kraft fließt. Wir bekommen nicht mehr Kraft, wenn wir uns in Gottes Reich investieren, sondern Gott ist unsere Kraftquelle, damit wir uns in seinem Reich einsetzen können. Bei all dem darf uns das Berufen-sein und Arbeiten also Spaß machen und Freude bereiten, wir sollten uns nicht unter Druck setzen, mehr leisten zu müssen, und niemals vergessen, dass auch das Ruhen zum Arbeiten dazugehört.
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