Ansprechbar: "Christsein und Selbstliebe – Wie passt das zusammen?"
BlogPost · Identität
„Self-care“ und „Self-love“. Beide Begriffe lese ich äußerst häufig. Du ja vielleicht auch. In meinem Instagram-Feed tauchen sie immer wieder mal auf – diese inspirierenden Sprüche, die mir sagen, dass ich mir selbst vergeben lernen soll. Oder dass ich aufpassen soll, dass es in meinem Umfeld keine „toxischen“ Menschen gibt, die mich in meiner Selbstliebe negativ beeinflussen könnten. Es geht um mich. Um meine Wünsche und darum, wie ich sie erfüllen kann. Dass ich gut bin, genau so, wie ich bin. Und ja, diese „Honigduschen“ so mitten im Alltag fühlen sich gut an. Und manches, so würde ich sagen, ergibt absolut Sinn und ist total hilfreich!
Generell gibt es viele positive Aspekte bei der „Self-love“-Bewegung, wenn man sie jetzt einfach mal so betiteln möchte. Es ist total gut und wichtig, auf sich selbst zu achten. Und es ist total wertvoll, so würde ich es aus eigener Erfahrung sagen, wenn ich Verantwortung für meine mentale Gesundheit übernehme, wenn ich auf meine Ernährung und auf ausreichend Bewegung achte. Und es ist wertvoll, sich, wenn ich mit mir selbst überfordert sein sollte, auch professionelle Hilfe zu suchen, und wenn das dann kein Grund zur Scham ist, sondern als etwas Positives angesehen wird. Ganz ehrlich: Das alles finde ich super!
Und doch gibt es in mir diese Stimme, die sagt: „Du darfst dich selbst aber nicht zu sehr lieben. Pass auf, dass du deinen Nächsten dabei auch noch liebst. Und Gott sowieso über allem anderen.“ Wieso denke ich so? Weil ich mich als Christ verstehe und christlich sozialisiert bin. Und das oberste Gebot des Christentums lautet nun einmal: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit all deiner Kraft und mit deinem ganzen Verstand. Und auch deinen Mitmenschen sollst du so lieben wie dich selbst.“ (Lukas 10:27)
Wie viel Selbstliebe ist denn nun laut der Bibel okay? Kann ich Christ sein und mich selbst lieben?
Das humanistische Menschenbild vs. das biblische Menschenbild:
Unser heutiges Denken (und damit ebenso die „Self-care- und Self-love-Bewegung“ der heutigen Zeit) wird u. a. maßgeblich durch den Humanismus geprägt. Begründet in der Antike hat sich diese Denkweise stark verbreitet und weiterentwickelt. Ihre Errungenschaften sind z. B. die Naturwissenschaften, ebenso unser heutiges Bildungssystem.
In wenigen Sätzen die gesamte Lehre des Humanismus zu erklären, wäre zu umfangreich für einen Ansprechbar-Beitrag. Deshalb die wichtigsten Punkte für diese Diskussion zusammengefasst: Das humanistische Menschenbild geht davon aus, dass der Mensch von sich aus und von Grund auf „gut“ sei und deshalb auch „Gutes“ hervorbringe. Der Mensch, seine Wünsche und sein Innerstes bildeten quasi den Mittelpunkt des Universums, wenn man es so ausdrücken möchte. Vom Menschen selbst leite sich jede Moral ab.
Mit einem solchen Menschenbild im Hintergrund fällt es ausgesprochen leicht, sich selbst zu lieben, und auch, auf sich selbst am meisten zu vertrauen. Denn immerhin sieht ein humanistisch geprägtes Menschenbild den Menschen selbst als Schlüssel für alles, was er im Leben erreichen möchte. In ihm selbst liege alles, was er bräuchte, um „erfolgreich“ zu sein und Gutes hervorzubringen.
Das biblische Menschenbild steht dem humanistischen stark entgegen. Die Bibel erklärt, dass der Mensch und sein Herz seit dem Sündenfall im Garten Eden von Geburt an mit Sünde „verseucht“ sei. „Nichts ist so undurchschaubar wie das menschliche Herz, es ist unheilbar krank.“ So fasst es der Prophet Jeremia hier zusammen (vgl. Jeremia 17:9). „Folge deinem Herzen“? Von der Bibel her betrachtet also eher eine schlechte Idee. Nur aufgrund des sündigen Daseins des Menschen musste Jesus Christus überhaupt am Kreuz sterben, damit Menschen auf ewig beim heiligen Gott sein dürfen. Ohne Sünde wären der Kreuzestod und die Auferstehung Jesu – und damit das Zentrum des christlichen Glaubens – nicht notwendig gewesen! (Vgl. Galater 1:4; 1. Korinther 15:3-5, u. v. m.) Erst wenn ein Mensch mit dem Heiligem Geist erfüllt worden sei, würde eine nachhaltige Veränderung des Herzens erfolgen, hin zum Guten (vgl. Galater 5). Denn was gut ist und was nicht, das würde allein Gott selbst entscheiden können. Gott selbst gelte als Zentrum aller Weisheit und Moral (vgl. Sprüche 9:10).
Nun verstehe ich mich als Christ. Und deshalb möchte ich schon gern dem biblischen Menschenbild folgen ... Wie soll ich mich denn selbst lieben, wenn ich aus mir selbst heraus doch so schlecht sein soll?
Ich wage mal eine Antwort auf diese komplexe Frage:
Die biblische Selbstliebe:
Bereits im besagten Liebesgebot der Bibel aus Lukas 10:27 taucht sie auf: die Selbstliebe. Denn ich sollte meinen Nächsten ja so sehr lieben wie mich selbst. So steht es dort. Wenn ich also mich selbst nicht lieben kann – wie soll ich dann meinen Nächsten lieben? Eine bestimmte Selbstliebe ist also laut der Bibel gut und sogar vorausgesetzt.
Wie könnte diese „biblische Selbstliebe“ aussehen?
Hier ein Versuch:
Eine biblische Selbstliebe akzeptiert Gott als Zentrum des Guten und als Zentrum jeder Weisheit. Selbstliebe im biblischen Sinne äußert sich deshalb darin, Gott immer besser kennenlernen zu wollen, weil ich weiß, dass sein Heiliger Geist mir guttut und ich mich durch Beziehung und Begegnung mit ihm zum Guten verändern werde.
Biblische Selbstliebe begründet sich darin, dass Gott mich liebt und ich mich bei ihm angenommen und geliebt weiß. Biblische Selbstliebe versteht, dass ich danach streben sollte, Gott mehr zu lieben als mich selbst und auch als meinen Nächsten.
Biblische Selbstliebe weiß, die Schöpfung Gottes mit Liebe und Respekt zu behandeln, also auch meinen eigenen Körper und meine eigene Seele, die Gott erschaffen hat. Was Liebe und Respekt mir selbst gegenüber bedeuten, das definiert die biblische Selbstliebe anhand der biblischen Maßstäbe und Gebote.
Also lautet mein Fazit:
Ja, Christsein und Selbstliebe lassen sich auf jeden Fall miteinander verbinden! Aber nur bis zu einem bestimmten Maß. Wie wir in diesem Beitrag umfangreich herausgearbeitet haben, kann das biblische Selbstbild nicht damit übereinkommen, dass Selbstliebe aus dem Menschen selbst heraus entstehen könnte. Auch gelingt es dem Menschen nicht aus sich selbst heraus das eigene Selbstbild zu heilen, wie es aber von der „Self-love-Bewegung“ oftmals beschrieben wird. Manche der „Self-love“-Seiten mit ihren Weisheiten stimmen aber durchaus in ihren Aussagen mit der in diesem Artikel beschriebenen „biblischen Selbstliebe“ überein. Da liegt es an mir selbst zu prüfen, was das ist und was eben nicht. :-)
Jeden Mittwoch beantworten wir auf unserer Instagram-Seite @stayonfire.official im Format „Ansprechbar“ eure Fragen. Nicht jede Frage lässt sich im Rahmen einer kurzen Insta-Story beantworten. Daher gehen wir auf einige komplexere Fragen sonntags als Blogbeitrag in unserer App ein.
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Binggeli