Ansprechbar: "Müssen Ehefrauen heute noch ein Kopftuch tragen?" - (M)eine Meinung
BlogPost · Glaubensleben
Vielleicht ist der erste Gedanke, wenn du den Titel des heutigen Ansprechbar-Beitrags liest: „Was hat denn das Kopftuchtragen einer Frau mit dem Christentum zu tun?“
Stimmt. In unserer heutigen Kultur ist das Thema Kopftuchtragen eher mit der Religion des Islam verbunden. Doch tatsächlich findet sich inmitten des Neuen Testaments der Bibel die Aussage, die, wenn man sie wortwörtlich nimmt, der Frau vorschreibt, ein Kopftuch im Gottesdienst zu tragen. Und zwar findest du sie hier:
„Trägt dagegen eine Frau keine Kopfbedeckung, wenn sie im Gottesdienst betet oder im Auftrag Gottes prophetisch redet, dann entehrt sie ihren Ehemann. Das wäre genauso, als wenn sie kahl geschoren herumliefe. Will eine Frau ihren Kopf nicht bedecken, kann sie sich auch gleich die Haare abschneiden lassen. Aber weil es jede Frau entehrt, wenn ihr das Haar kurz geschnitten oder der Kopf kahl geschoren wurde, soll sie ihren Kopf bedecken.“ (1. Korinther 11:5+6)
Puh. Harte Worte, die sich so nicht einfach verstehen lassen.
Bedeutet das nun etwa, dass jede verheiratete Frau in unseren heutigen christlichen Gottesdiensten eigentlich ein Kopftuch tragen sollte, sobald sie das Wort erhebt? Dann würden aber ausgesprochen viele Christinnen diese Thematik ganz offensichtlich entgegen diesen doch so klar erscheinenden Worten in der Bibel leben. Durchaus ist es Fakt, dass es tatsächlich zahlreiche Gemeinden gibt, die bis heute an diesem Kopftuchgebot der Ehefrauen festhalten, genau aufgrund der hier angeführten Bibelstelle. Je nachdem, aus welchem gemeindlichen Hintergrund du kommst, hast du dich also wahrscheinlich schon mehr oder weniger mit der Frage beschäftigt, ob eine Frau im Gottesdienst ein Kopftuch tragen sollte oder nicht.
Hier in diesem Ansprechbar-Beitrag möchte ich gern die theologische Meinung festhalten, die ich mir bis zum jetzigen Zeitpunkt zu dem Thema angeeignet habe. Wenn deine eine andere ist, dann ist das wunderbar und ich kann dich und deine Meinung stehen lassen. Wenn du bspw. verheiratet bist und im Gottesdienst gern dein Kopftuch trägst, möchte ich dir das nicht ausreden. :-)
1. Der Kontext der damaligen Zeit
Ich bin großer Fan der theologischen Vorgehensweise, bei der Auslegung einer Bibelstelle den Kontext immer zu beachten. Denn: Die einzelnen Texte und Briefe der Bibel wurden intentional von einem bestimmten Verfasser für einen bestimmten Empfängerkreis in einer bestimmten Zeit und für eine bestimmte Situation geschrieben. Deshalb ist es wichtig, die Bibel auch immer in ihrem direkten Kontext zu verstehen und zu bedenken, dass Gott schon aus einem ganz bestimmten Grund diese bestimmten Worte in eine bestimmte Zeit gesprochen hat.
Wie sah also der Kontext der besagten Bibelstelle aus 1. Korinther 11:5+6 aus?
Eine wichtige Sache, um diese Bibelstelle richtig zu verstehen, ist die folgende: Der Kopf einer Frau wurde in der damaligen Kultur kahl geschoren, wenn sie Ehebruch begangen hatte. Dies geschah quasi als Zeichen der öffentlichen Entehrung und Beschämung für sie und ihr Vergehen. Gleichzeitig beschämte dies auch den Ehemann, denn die Ehefrau, die ihn betrogen hatte, hatte nach damaligem Verständnis durch ihren Betrug beide entehrt. Paulus setzt in diesem Abschnitt das Ablegen des Kopftuches einer Ehefrau im Gottesdienst mit genau dieser öffentlichen Entehrung gleich, die bei dem Ehebruch einer Ehefrau zum damaligen Zeitpunkt für einen Ehemann entstand.
2. Die Zeichen haben sich geändert
Es wird deutlich: Paulus geht es hier sehr wahrscheinlich um eine Symbolik. Das Kopftuch einer Frau deutet an, dass die redende oder betende Frau verheiratet ist, also zu einem bestimmten Ehemann gehört. So war es in der damaligen römischen Kultur, zu der sich auch Korinth zählte, üblich, dass die Ehefrau beim Übergang von ihrem Zuhause in den öffentlichen Raum ein Kopftuch trug, um anzuzeigen, dass sie verheiratet war. Für die Empfänger des Briefes in der damaligen Zeit war es also absolut nicht ungewöhnlich, dass eine verheiratete Ehefrau ein Kopftuch als Zeichen ihrer Ehe und auch ihrer Würde trug. Damit ehrte sie auch ihren Ehemann, indem sie öffentlich zum Ausdruck brachte, dass er und sie zueinander gehörten.
Die Ehe hat im biblischen Rahmen sowieso einen großen Stellenwert vor Gott! Dass das so ist, wäre noch mal ein ganz anderes Thema für einen weiteren Ansprechbar-Beitrag. Die Bibelstelle aus 1. Korinther 11 zum Kopftuchgebot der Frau lässt sich in dem Sinne auch als Regeln zur Wahrung der Ehe vor Gott verstehen, wie er sie sich im biblischen Kontext erdacht hat.
Fazit:
Persönlich erkenne ich hier also kein aktuelles Kopftuchgebot mehr für die Frau. Betrachtet man die Stelle im Kontext, könnte man zusammenfassen, dass es Paulus wichtig war, dass auch im Rahmen eines Gottesdienstes deutlich würde, wer mit wem verheiratet ist. An dieser Stelle sei zu ergänzen, dass insbesondere in der damaligen Korinther-Gemeinde wenig Wert auf die Wahrung der Ehe gelegt wurde. Korinth, die Stadt, in der sich eben auch die damalige Gemeinde befand, an die sich diese Bibelstelle bzw. dieser Brief aus der Bibel explizit richtete, war sogar im besonderen Ausmaß als eine „Stadt der Sünden und Laster“ bekannt. Durch diesen Einfluss ihrer Umgebung entstand viel Chaos und Abwendung von Gott innerhalb der Gemeinde von Korinth. Paulus könnte also auch gerade deshalb in seiner apostolischen Tätigkeit die Wahrung der ehelichen Symbolik in 1. Korinther 11:5+6 so in den Fokus gestellt haben.
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Binggeli